Obligatorisches
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber bei mir fühlen sich manche Tage so an, als ob ich nicht wirklich die Zeit gut genutzt hätte. Ich bin viel unterwegs, treffe Menschen, bin auf Veranstaltungen, Netzwerken und so (gaaanz wichtig) – dann sind da noch Bürotätigkeiten, Abrechnungen, nicht zu vergessen, das Kinderprogramm, das bisschen Haushalt und so weiter.
Dann stellt sich mir abends die Frage? Wo warst du heute produktiv? Als Selbstständige dann auch die Erkenntnis: Nichts, was du heute gemacht hast, kannst du in Rechnung stellen. Frust.
Carpe Diem – was heißt das überhaupt?
Die lateinischen Wörter können wörtlich so übersetzt werden: „carpe“ heißt „pflücke“ und „diem“ bedeutet „der Tag“. Demnach ist es die Aufforderung den Tag zu pflücken – klingt komisch und hat sich deshalb so auch nicht durchgesetzt. Stattdessen gilt in Deutschland für diese Aussage der Sinngehalt: NUTZE DEN TAG! Eigentlich wieder typisch für uns, denn irgendwie fühlt sich das doch nach Produktivität an – sei schön produktiv und bringe viel „Outcome“.
Augenblick für Augenblick
Es gibt aber einen ganz anderen Ansatz, diese Worte zu interpretieren, denn sie gehen zurück auf eine Ode des römischen Dichters Horaz. Hier fordert er dazu auf, die begrenzte Lebenszeit, die wir haben, zu genießen. Also ist die viel schönere freie Übersetzung jene, die viel seltener dafür genutzt wird: GENIESSE DEN AUGENBLICK! Demnach eine Aufforderung, nicht immer weiter zu hetzen, sich ständig zu überlegen, wie effizient kann ich was wann erledigt haben, sondern sich bewusst zu machen, dass jeder Moment einzigartig ist.
Viel zu oft missverstehen wir, was NÜTZLICH ist und was nicht. Unter diesem Aspekt verdiene ich vielleicht nicht mit allem, was ich tue, Geld. Aber ich lerne – mit jeder Begegnung mit anderen Menschen etwas dazu. Ich genieße die Zeit mit meinen Kindern, meinen Liebsten – ein großer Gewinn in meinem Leben, der sich mit Geld gar nicht aufwiegen lässt. Ich mache Ordnung – an meinem Arbeitsplatz, in meinem Heim – denn dann kann ich mich dort wohlfühlen. Ich kann dies alles gehetzt tun – immer im Kopf: Erledige möglichst viel, doch am Ende des Tages fühlt es sich dann dennoch so an, als hätte man den Tag nicht wirklich ERLEBT.
An manchen Tagen tut man fast nichts und empfindet – gerade deswegen – diese Tage als besonders wertvoll, als GENUSSVOLL.
In diesem Sinne frage ich dich noch einmal:
Carpe Diem – Abgedroschene Phrase für Produktivität oder sinnvolle Lebenseinstellung?
Ich denke, hier kommt es auf die eigene Perspektive an.